Transalp #1

Der Albrecht 6-Tage-Quickie

2016 war es so weit und ich habe mir als Ziel gesetzt, meine erste Transalp zu fahren.

Egal, wie viel ich zuvor gelesen habe oder mit wem ich mich über die bevorstehende Tour unterhalten habe, ich wusste nicht, was mich erwarten würde. Wie auch? Niemand kann dir deine Erfahrungen, Emotionen und Gedanken, wie du sie erleben wirst, beschreiben oder gar vorhersagen. Dafür ist dieses Erlebnis und welche Schlüsse jeder für sich daraus zieht, einfach zu individuell.

Vor der Tour hatte ich großen Respekt vor dieser Herausforderung (ob das danach auch noch so war, will ich jetzt nicht vorwegnehmen). Es ging zwar auch (am Rande) um die Fragen, was ich brauchen würde, ob wir die Tour gesund überstehen werden und was passiert, wenn wir abbrechen müssen? Für mich war die mentale Herausforderung, die diese Tour mit sich brachte, deutlich größer. Das mag sich hochtrabend anhören und der/die eine oder der/die andere mag denken: „meine Güte, was macht der da so ein Drama draus, das ist doch nur eine Alpenüberquerung“. Richtig, es ist eine Alpenüberquerung, aber eben nicht „nur“. Ich habe sowas noch nie zuvor gemacht und freue mich, an solchen Herausforderungen zu wachsen. Daher war es in diesem Jahr für mich ein großes Thema und ich weiß, dass ich Jahre später jeder/jedem den nötigen Respekt entgegenbringen werde, die/der eine solche Tour das erste Mal fährt. Schließlich habe auch ich mich mal an diesem Punkt befunden

Quick Facts

Gefahren vom 2. Juli 2016 bis 7. Juli 2016
Von Garmisch-Partenkirchen nach Riva del Garda
455 Kilometer / 10.968 Höhenmeter / 41:57 Stunden auf Achse

1. Tag - 2. Juli 2016

Garmisch-Partenkirchen (D) – Landeck (AT)

81,72 Kilometer / 900 Höhenmeter / 5:31 Stunden auf Achse

Der erste Tag war vor allem durch die Anreise geprägt. Am Morgen fuhren wir mit dem Auto von Nürnberg nach Garmisch-Partenkirchen, wo wir erst kurz nach dem Mittag ankamen. Wir machten die Bikes startklar, zelebrierten den Tour-Start mit einem letzten Seidla und starteten um halb zwei (endlich) die Tour. 

Wir verließen Garmisch in Richtung Südwesten, überwiegend auf asphaltierten oder – bestenfalls – geschotterten Radwegen. Immer Parallel zur Straße, die Garmisch mit Ehrwald verbindet. Kurz hinter Garmisch begann es zu regnen und hörte (mal mehr, mal weniger stark) den Rest des Tages nicht mehr auf.

Erst hinter Ehrwald ging es auf einem Schotterweg in einen wolkenverhangenen Wald – und abseits von irgendwelchen Straßen. Zwischen Ehrwald und Nassereith fuhren wir auf dem alten Fernpass, dessen Wander- und Radweg zum Teil auf Holzbohlen entlang an den Bergen führt. Am Ende dieses Abschnitts führte der Weg vorbei am Schloss Fernsteinsee. Die Szenerie war schön und wir genossen sie – es sollte das Highlight des Tages sein.

Ab Imst, im Inntal, führte uns der asphaltierte Fahrradweg noch 18 Km entlang der Inn bis nach Landeck, die gesamte Strecke über mit einem leichten Anstieg. Um 21 Uhr kamen wir endlich, mit vom Regen durchnässten Klamotten, in Landeck an.

 

Durch den andauernden Regen (das Nieseln, den Graupel, oder eine der anderen Formen des Niederschlags, die wir heute – bis auf Schnee – erlebt haben), die eher gedrückte Lichtstimmung des gesamten Tages und die unspektakulären Wege, war der heutige Tag der wohl schlechteste der ganzen Tour. Ein bisschen Angst hatte ich zwischendurch schon, dass die kommenden Tage ähnlich verlaufen würden (das Titelbild zu diesem Beitrag ist genau in dieser Situation und Phase der Resignation entstanden). Die Angst wich jedoch schnell dem Gedanken, dass es nach so einem Tag eigentlich nur noch besser werden kann.

Wie sich an den folgenden Tagen herausstellen sollte, habe ich zum Glück mit dem Gedanken – und der damit einsetzenden Euphorie – richtig gelegen.

2. Tag - 3. Juli 2016

Landeck (AT) – Bodenalp-Ischgl (AT)

80,23 Kilometer / 2.211 Höhenmeter / 7:17 Stunden auf Achse

Der Regen hat sich verzogen und ist Sonnenschein gewichen. Dank des Wäscheservice im Hotel hatten wir sogar frische und (vom Trockner) noch warme Klamotten. Die Bedingungen für einen guten Start in den Tag waren somit so gut wie erfüllt. Einziges Manko war, dass wir vergangene Nacht erst spät ins Bett gekommen sind. Das rächte sich und wir kamen erst um kurz nach zehn in Landeck los. Somit zeichnete sich bereits am zweiten Tag ab, dass sich ein Wurm in die Tour eingeschlichen hat und es uns schwerfallen würde, die verpennte Zeit aufzuholen.

 

Von Landeck ging es entlang der Rosanna nach St. Anton am Arlberg. Hinter St. Anton verließen wir weitestgehend die Zivilisation und fuhren auf Schotter hoch zur Konstanzer Hütte (auf 1.688 Metern). Wir kehrten ein und machten Pause. Anschließend ging es weiter bergauf, bis wir dann um ca. 18 Uhr und nach weiteren 600 Höhenmetern den höchsten Punkt des Tages, nahe der Heilbronner Hütte (auf 2.320 Metern) erreichten. Die Szenerie an den vorarlberger Scheidseen war überragend, leider hatten wir kaum Zeit es zu genießen. Es war spät und wir mussten noch 30 Km und einen Anstieg bewältigen.

 

Die Abfahrt hinter der Heilbronner Hütte, entlang des Wormser Höhenwegs, führte überwiegend auf geschotterten Wander- und Wirtschaftswegen ins Tal. Im unteren Verlauf fuhren wir dann (nunmehr eher seichter) auf Schotter- und Asphaltwegen in Richtung Ischgl. Die Abfahrt war schnell und recht anspruchslos, so dass wir sehr gut vorankamen und erst ab Ischgl die nächsten merklichen Höhenmetern zu absolvieren hatten.

Unser Ziel liegt zwar in der Gemeinde Ischgl, der Berggasthof Bodenalpe liegt allerdings ca.. 7 Km und knapp 500 Hm weiter Süden, mitten im Fimbatal. Dieser letzte Anstieg war technisch nicht anspruchsvoll (die meiste Zeit ging es über Asphalt oder Schotter aufwärts), für uns dennoch hart, da wir nur noch ankommen wollten. Unser Ziel erreichten wir um kurz vor neun und wir hatten Glück. Wir waren die letzten Gäste, die noch bedient wurden.

3. Tag - 4. Juli 2016

Bodenalp-Ischgl (AT) – Lü (CH)

62,25 Kilometer / 2.062 Höhenmeter / 7:37 Stunden auf Achse

Mit unserem heutigen Start um neun Uhr waren wir zeitlich schon deutlich besser dran als am Vortag. Dennoch waren wir die letzten, die das Hotel verließen. Andere Biker-Gruppen, die wir am Vorabend im Hotel sahen, waren schon ausgeflogen und in den Bergen verschwunden.

Wir starteten also entspannt und fuhren in südlicher Richtung durch das Fimbatal in Richtung des Fimberpasses, überquerten die sehr unprätentiöse Grenze in die Schweiz und passierten die Heidelberger Hütte (auf 2.264 Metern). Bis hierhin war der Weg moderat und wir konnten die wunderbare Landschaft genießen. Der Weg (ein Wirtschaftsweg) war zwar schön und keineswegs anspruchsvoll, nur fahren konnte ich ihn nicht die ganze Zeit. Mein Hintern war es nicht gewohnt so lange im Sattel zu sitzen und ich trug wohl auch die falsche Bekleidung – Baumwollunterwäsche ist das Letzte, was ich bei so einer Tour empfehle. Wie dem auch sei, der Weg war einfach und ich schob, weil mir schlichtweg der Mors wehtat.

Hinter der Heidelberger Hütte wurde es steiler und der Weg ausgesetzter, so dass wir es beide vorzogen mehr zu schieben als zu fahren (auch wenn es technisch durchaus möglich gewesen zu fahren). Die drei Kilometer und ca. 320 Höhenmeter bis zum Pass verliefen auf einem Wanderweg, der uns auch über Schneefelder führte. Diese waren nicht tief und kein Hindernis und war es einfach nur irgendwie schön Anfang Juli noch Schnee zu sehen.

 

Am Fimberpass (auf 2.608 Hm) angekommen offenbarte sich uns ein überragender Blick ins Tal – und auf den Trail, der uns da hinführen wird. Der Trail war ein astreiner Singletrail; zum Teil sehr griffig, ausgesetzt und manchmal recht ruppig – alles in allem einer der besten Trails des ganzen Tour. Am unteren Ende verlief der Trail in unmittelbarer Nähe zur Brancla und kreuzte den Fluss immer mal wieder über ziemlich waghalsig anmutende Brücken. Vor Sent verlief der Trail flowig durch etwas dichter bewachsene Hänge, auf Wirtschaftswegen und war nahezu das krasse Gegenteil zum Beginn des Trails, oben am Fimberpass. Das letzte – und zum Glück nur kurze – Stück bis nach Scoul war unspektakulär.

Unsere Abfahrt endete in Scoul auf ca. 1.900 Hm und wir begannen den letzten (und zähesten) Anstieg des Tages. Der Weg führt entlang der einstmals asphaltierten Straße nach S-Charl, immer leicht bergauf und durch ein Tal, in dem wir den Wind vermissten. Es war heiß und Luft stand nahezu. Durch zahllose Hangabgänge wurde der Flusslauf der Clemgia immer wieder verschoben und die Straße immer mehr zu einer staubigen Schotterpiste. Die Szenerie war ziemlich surreal und unwirtlich.

Hinter S-Charl ging es dann auf Wander- und zum Teil geschotterten Wirtschaftswegen weiter bergauf, vorbei an der Alp Astras, hoch zum Pass da Costainas (auf 2.251 Hm). Mittlerweile war der Weg nur noch ein solider Singletrail und wir wünschten uns, ihn nicht mehr hoch- sondern auch endlich runterfahren zu können. Dazu kam es dann zum Glück auch noch und wir konnten den Weg in der für uns angenehmeren Richtung fahren: abwärts.

Auf den Wanderwegen wurde Lü zwar schon ausgeschildert, allerdings hatten wir beide das Gefühl noch ewig zu unserem Ziel fahren zu müssen – und dann standen wir auf einmal im Ort und die Etappe war zu Ende. Keine Ahnung woher diese Fehleinschätzung kam. Ich habe mir abgewöhnt immer wieder auf das GPS zu schauen um mich nicht selber zu verunsichern. Vielleicht war es aber auch der Wunsch, dass der Trail, der uns nach Lü führte, noch ewig hätte weitergehen dürfen.

Um kurz vor acht erreichten wir unsere UNTERKUNFT IN LÜ.

4. Tag - 5. Juli 2016

Lü (CH) – La Baita, Frontale (IT)

75,01 Kilometer / 1.872 Höhenmeter / 6:57 Stunden auf Achse

Um kurz nach neun starteten wir in Lü den sportlichen Teil des Tages. Es ging erstmal westwärts Richtung Tschierv und dann zurück ostwärts nach Fuldera, die ganze Zeit auf Wald- und Wanderwegen. Gleich zum Beginn des Tages war das ein super Start. Knapp zweieinhalb Kilometer hinter Fuldera begannen wir mit dem ersten richtigen Anstieg des Tages (von 1.551 auf 2.236 Meter). Der Anstieg war schön aber nicht besonders ereignisreich.

Wir erreichten im Val Mora den höchsten Punkt des Tages – auf ca. 2.300 Metern – am Mittag. Aber wir waren nicht alleine. Entweder hat diese Tour von Andreas Albrecht unglaublichen Gefallen bei vielen Bikern gefunden oder dieser Abschnitt ist Bestandteil verschiedener Touren. Dutzende Biker waren über das weitläufige Tal zu sehen – einige vor uns, einige hinter uns und einige waren zeitgleich mit uns auf dem Plateau. Getreu dem Motto „wer nicht hinter uns ist, ist vor uns“ machten wir hier nur kurz Pause und begannen schnell mit der Abfahrt. Diese Abfahrt hatte es in sich, machte richtig viel Spaß und war sehr schnell. Einige Kilometer war die Abfahrt ein hervorragender Singletrail, der sich mal gesäumt von Sträuchern und mal über den Schotter abgegangener Hänge hinab schlängelt. Am unteren Ende wurde der Trail etwas flacher man konnte bereits die beiden Stauseen erkennen, an denen der Weg vorbeiführen würde. Irgendwo auf dieser Abfahrt überquerten wir dann auch die Grenze nach Italien.

Entlang der beiden Stauseen Lago di San Giacomo und Lago di Cancano fuhren wir auf einer Schotterpiste unverändert auf nahezu 1.950 Metern. In der Nähe zur Staumauer, zwischen den beiden Seen, kehrten wir für ein Bier und einen kleinen Snack im Rifugio Ristoro San Giacomo Cancano ein. Bei unserer Ankunft im Rifugio reiten sich auch hier zahlreiche Bikes an den Zäunen und Böcken auf, die zum Abstellen der Bikes aufgebaut waren.

Am südöstlichen Teil der Stauseen folgten wir der Straße in Richtung Süden. Am Torri di Fraele überlegten wir kurz, ob wir vielleicht den Wanderweg zwischen den beiden alten Türmen fahren sollten, verwarfen den Gedanken aber schnell wieder. Diese Alternative schien einfach zu krass zu sein. Wir hielten uns an die originäre Route – und bereuten die Entscheidung fast umgehend. Ab dem Torri di Fraele führte uns der Weg auf einer serpentinenreichen Asphaltstraße nach unten. Was für eine Verschwendung. Ich sah dann allerdings auf dem GPS, dass es noch eine Alternative geben muss. Diese führte quasi als direkte Linie über die Serpentinen und machte deutlich mehr Spaß als die Straße. Wir folgten der Straße also ins Tal und peilten das weiter östlich gelegene Bormio an.

In Bormio machten wir einen kurzen Stopp und versorgten uns mit schnellen Kalorien. Zwischen den Bergen hingen die Wolken bereits tief und es bahnte sich Regen an. Wir mussten uns also beeilen. Ab Bormio ging es seicht bergab in Richtung La Prese-pendoso. Der Weg führte auf und neben der Straße, welche die beiden Ortschaften durch das Veltlin miteinander verbindet. Zwischen den beiden Ortschaften – mitten im Nirgendwo – fing es an zu regnen. Wir packten unsere Regenklamotten aus, zogen die Regencapes über unsere Rucksäcke und fuhren weiter. Es nützt ja nichts. In La Prese erreichten wir den tiefsten Punkt des Tages, orientierten uns gen Osten nach Frontale und begannen mit dem letzten Aufstieg des Tages, zur La Baita im Val di Rezzalo.

Auf den ersten Kilometern führte uns der Weg auf einer – zum Teil sehr serpentinenreichen – Straße nach oben. In Frontale bot sich uns ein super Blick ins Veltlin. Hinzu kam, dass die Feuchte des Regens der Wärme bzw. der Schwüle wichen. Wenigstens konnten wir unsere Regenklamotten wieder ausziehen. Irgendwo hinter Frontale hörte die Straße auf und es ging nur noch auf einer steilen Rampe durch den Wald weiter. Diese Rampe war am Ende des Tages und unmittelbar nach dem Regen eine ziemliche Herausforderung. Ich hatte schon keine Lust mehr und konnte nicht abschätzen, wie lange wir noch unterwegs sein würden. Auch Simon schien nur noch ankommen und keine unnötigen Meter mehr fahren zu wollen. Zum Glück aber war die Rampe auch die letzte Herausforderung des Tages. Der Wald endete und mit ihm die steile Rampe. Wir befanden uns auf ca. 1.880 Metern auf einem schönen Plateau.

Vor uns offenbarte sich uns nichts weiter als Berge und ein paar, verlassen wirkende Hütten. Nicht einmal der Weg, den wir am kommenden Tag vor uns haben würden, war auf den ersten Blick zu erkennen. Ich konnte nicht mehr sitzen und schob daher mein Bike in Richtung der Hütten. Je näher wir kamen, desto deutlicher wurde es, dass eine der scheinbar verlassenen Hütten unsere Unterkunft, die La Baita war. Wir waren endlich da und wurden schon von unserem Gastgeber mit einem köstlichen Pilz-Risotto empfangen.

Wenn man sich am Abend noch bei jemandem melden möchte, sollte man das allerdings von Frontale aus machen. Auf der Ebene, auf der sich die La Baita befindet, hat man keinen Handyempfang und es gab auch kein Wlan.

5. Tag - 6. Juli 2016

La Baita, Frontale (IT) – Madonna di Campiglio (IT)

87,21 Kilometer / 2.638 Höhenmeter / 9:14 Stunden auf Achse

Der Morgen war toll und ich habe es selten so genossen, so weit entfernt von der Zivilisation zu sein, wie in der Hütte La Baita. Eigentlich kam das Gefühl der Einsamkeit und Isolation nur daher, dass es dort oben weder Handyempfang noch Internet gab. Es war großartig – vor allem, wenn man es nicht gewohnt ist, darauf verzichten zu müssen.

Die Hütte La Baita liegt auf 1.860 Metern und als wir dort morgens um acht Uhr starteten hatten wir als erstes einen Anstieg von 600 Hm vor uns. Auf das Plateau führen nur zwei Wege; den einen sind wir am Vortag gekommen und somit verließen wir die Ebene über den anderen Weg in Richtung Nordosten (auf dem Bild quasi der Sonne entgegen). Der Weg ist nicht besonders anspruchsvoll, geschottert und über zahlreiche Serpentinen kamen wir langsam auf den Pass. Oben angekommen ging es auf dem Weg weiter (der irgendwann nur noch ein Trail war), seicht und schön flowig. Bei Ponte dell´Alpe verließen wir den Trail und fuhren auf der Regionalstraße SP 29 weiter.

Es ging umgehend wieder bergauf und ich stellte umgehend fest, was Road- von Mountainbikern trennt. Während die abgelegeneren Trails nahezu frei von irgendwelchen menschlich Hinterlassenschaften waren, war der Straßengraben der SP 29 gesäumt mit Einwegflaschen, Verpackungen von Müsliriegeln und leeren Sportgel-Verpackungen. Mit ist schon klar, dass man nicht alle über einen Kamm scheren kann. Der Rückschluss drängt sich mir aber geradzu auf, dass das der Müll unzähliger Roadbiker gewesen sein muss – denn auf den Trails habe ich sowas nicht gesehen. Sowas geht gar nicht! Wenn man den Mist schon mit auf den Berg schleppt, warum schafft man es dann nicht, den Kram auch wieder mit runter oder wenigstens bis zum nächsten Mülleimer zu nehmen? Auf die paar Gramm kommt es bei den meisten Roadbikern, die ich kenne, nun wirklich nicht an.

Das hat zumindest meiner Stimmung einen Dämpfer verpasst. Wie dem auch sei. Wir dachten, wir lägen recht gut in der Zeit und entschieden uns von der Route abzuweichen und den Passo Gavia zu umfahren. Gegenüber des Rifugio Arnaldo Berni (auf ca. 2.560 Metern) verließen wir an einem Parkplatz die Straße um dem Trail vorbei am Rifugio Gavia in Richtung des Valle Dosegu zu folgen. Auf dem GPS sah das nach einem guten Trail aus, der uns allerdings nochmal mindestens 500 Hm nach oben bringen würde. Je weiter wir den Trail fuhren bzw. zum Ende hin eher schoben, desto mehr wuchs die Gewissheit, dass das keine Abkürzung werden würde. Der Pass, der vor weit vor uns lag, war bedeckt mit Schnee. Der Weg dahin führte über eine kleinere Gletscherzunge und den Gletscherbach. Vermutlich wäre kein weiterer Meter fahrbar gewesen und wir hätten gerade einmal den Pass vor Einbruch der Dunkelheit erreicht. So kehrten wir nach einer kurzen Pause wieder um und fuhren auf der SP 29 dem Passo Gavia (2.652 Meter) entgegen.

Ab da geht es knapp 200 Hm und ca. 2,3 Km auf Asphalt abwärts, bevor die Straße einen Trail kreuzt, auf den wir spontan nach rechts einbogen und dem wir dann bis ins Tal folgen. 

Der Trail ist nicht Bestandteil der Albrecht-Route, führt aber weiter unten im Tal wieder auf den normalen Verlauf. Der Trail war ein lupenreiner, unfassbar technischer Singletrail, den man aufgrund der ganzen Verblockungen nicht sehr schnell fahren konnte. Immer wieder säumten kleinere Treppen den Weg, die man aber leider mangels Geschwindigkeit nicht oft springen konnte. Das Gestein ist – wie überall in der Gegend – scharfkantiges Granit und forderte von uns allerhöchste Konzentration. Schließlich hatten weder Simon noch ich Lust, die Tour aufgrund eines Sturzes auf diesem Terrain abbrechen zu müssen. Am unteren Ende führte der Trail noch ein wenig über Schotter bevor es bei Pezzo wieder auf der Straße weiterging. Rückblickend betrachtet war der Trail eine super Alternative zur eher faden Straße und wohl auch das einzige fahrtechnische Highlight dieses sonst eher straßenlastigen Tages.

Ab Pezzo ging es weiter gen Süden nach Ponte di Legno und von dort aus weiter nach Dimaro. Meist ging es über Straßen oder sehr gut ausgebaute Fahrradwege. Direkt hinter Dimaro, an einem kleinen Parkplatz, hätte uns die Route eigentlich durch den Wald nach Madonna di Campiglio führen sollen. Da dieser Abschnitt aber aufgrund von Waldarbeiten gesperrt gewesen ist, haben wir die einfachere Alternative gewählt und sind die nächsten 850 Hm und 15 Km auf der Straße gefahren. Schließlich erwartete uns für den heutigen Tag nichts besonderes mehr und wir wollten nur noch ankommen.

Zwischendurch hat Simon immer wieder im Hotel angerufen um uns anzumelden, und damit wir noch was zu essen bekommen. Leider hatten wir nicht so viel Glück und die Küche war schon nicht mehr besetzt als wir im Residence Hotel Ambiez angekommen sind. So kam es, dass wir uns mit Chips und Bier von der Hotelbar zufrieden gegeben haben.

6. Tag - 7. Juli 2016

Madonna di Campiglio (IT) – Riva del Garda (IT)

68,95 Kilometer / 1.258 Höhenmeter / 5:21 Stunden auf Achse

Wir waren um kurz nach acht beim Frühstück und eine Stunde später auf den Bikes. Unser Plan war, im Laufe des Nachmittags am Gardasee zu sein um dort noch ein bisschen Zeit zum Entspannen zu haben.

Wir rollten von unserem Hotel runter in den eigentlichen Ort Madonna di Campiglio. Wir hielten uns ostwärts und verließen den Ortsteil Palù um gleich danach im Wald auf einem Forstweg weiterzufahren. Der Weg führte zum Rifugio Cascate di Mezzo, von wo aus es Richtung Süden, vorbei an dem Rifugio seinen Namen gebenden Cascata (Wasserfall) di Mezzo, weiter ging. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass der Wasserfall tatsächlich so eindrucksvoll gewesen ist, wie die Bilder, die man im Internet findet, es suggerieren. Vielleicht führte der Wasserfall Anfang Juli nicht so viel Wasser oder mein Fokus lag er auf der Tour und allem, was damit in Verbindung steht. Ab dem Wasserfall ging es für mehr als 400 Hm bergauf zum Lago di Valagola. Der Weg war bis hier recht entspannt, begann allerdings bereits kurz nach dem See deutlich anspruchsvoller zu werden. Hoch zum Passo Bregn de l´Ors (Bärenpass) wäre es vermutlich leichter gewesen die Bikes zu tragen als sie zu schieben. Wir fanden dazu keine Kraft und der Weg zum Pass wirkte wie eines der wenigen Nadelöhre, welches man überwinden muss um die Alpen zu überqueren: zahlreiche Biker plagten sich mit ihren Bikes ab und krochen den Hang hinauf. Das alles war ziemlich absurd (zumal ich vorher gar nicht so viele Biker gesehen und mich gefragt habe, wo die plötzlich herkommen) und führte dazu, dass der Tross immer wieder ins Stocken geriet. Um Viertel nach zwölf waren wir oben und waren beide der Meinung, die Pause kurz zu halten um möglichst wenige Leute vor uns zu haben. Einen Riegel später saßen wir wieder auf unseren Bikes und machten uns an die Abfahrt.

Die Abfahrt war spitze und – entgegen unserer Erwartungen – nicht ansatzweise so voll und überlaufen wie der Weg hoch zum Pass. Abwärts ging es fast so los, wie es zuletzt aufwärts ging: ein knackiger Singletrail. Der endete aber jäh und führte als schelle „Waldautobahn“ weiter runter ins Tal. Auch wenn mir der Trail als Weg ins Tal lieber gewesen wäre, so hatte doch auch die Schotterpiste ihr Gutes. Wir waren schnell unterwegs und konnten die Kurven sportlich anbremsen um nicht zu viel Geschwindigkeit zu verlieren. Leider endete auch dieser Spaß und führte – nach einem sehr kurzen erneuten Trailabschnitt – auf Asphalt weiter in Tal, Richtung Stenico.

 

Aus Richtung des Gardasees hatten wir Gegenwind und so zogen sich die letzten, seichten An- und Abstiege etwas hin und waren anstrengender, als mir lieb gewesen ist. Zumindest ich hatte den Vortag noch nicht völlig verarbeitet und die heutige Etappe zehrte schnell wieder an meinen Kräften – und das obwohl wir gut gefrühstückt einen keinen besonders anspruchsvollen Abschnitt vor uns hatten.

 

Runter nach Torbole wichen wir von den GPS-Daten ab und entschieden uns auf der Straße zu fahren. Im Nachhinein habe ich das ein wenig bereut, da ich diese Seite des Gardasees und die Trails dort noch nicht kannte. Allerdings waren wir kaputt und entschieden uns für die ungefährlichere Alternative. Außerdem wollten wir nur noch ankommen und uns – nach dem einen oder anderen Aperol Spritz im Hafen von Riva – bei einem hervorragenden Essen, selber ein bisschen für diese erfolgreich absolvierte Tour feiern.

Kurz vor dem Bärenpass passierten am Lago di Valagola - der Blick geht in Richtung der Brentner Dolomiten

Fazit

Für die erste Tour war es auf jeden Fall eine starke Tour, bei der ich Blut geleckt habe und süchtig geworden bin. Die Tour über sechs Tage eignet sich sowohl als Tour für jemanden, die/der recht wenig Zeit hat aber auch für jemanden, die/der einfach mal schauen möchte, ob so eine Alpüberquerung überhaupt das richtige ist.

Allerdings sollte man konsequenter sein als wir beide und die Tage möglichst früh beginnen. Sonst droht, dass sich diese Inkonsequenz durch die ganze Woche durchzieht. Wir haben daraus gelernt und unser Zeitmanagement bei den folgenden Touren angepasst.

 

Rückblickend betrachtet weiß ich zwar, dass unsere Inkonsequenz maßgeblich dazu beigetragen hat, dass wir am Ende eines jeden Tages unter Zeitdruck in der jeweiligen Unterkunft angekommen sind. Allerdings frage ich mich auch, warum wir es an vermeintlich kürzeren Tagen (wie z.B. dem 3. Tag) nicht ausgleichen konnten. Ich bin froh, dass dies meine erste Transalp gewesen ist und habe das Gefühl, dass diese Tour den einen oder anderen Fehler leichter verzeiht als andere.

Fahrtechnisch hatte ich zu keiner Zeit Bedenken, auch konditionell ging es mir erstaunlich gut. Natürlich tat mir irgendwann mein Hintern weh und ich sehnte mich stellenweise nach Anstiegen, auf denen ich mein Bike schieben konnte – nur um nicht mehr sitzen zu müssen. Unser aus dem Lot geratenes Zeitmanagement hat mich jedoch gestört. Vor allem weil erfahrungsgemäß bei einsetzender Dunkelheit der Druck anzukommen steigt und man nachlässiger wird und eher Fehler macht; das wollte ich partout vermeiden.

Anmerkung vom September 2020

Jede Tour, die ich fahre, vergleiche ich fast unweigerlich mit all den anderen Touren, die ich bisher gefahren bin. Mittlerweile habe ich dreimal mit dem Bike die Alpen überquert und bin in den Pyrenäen und den schottischen Highlands gewesen. Fahren, schieben, klettern, tragen und sich darüber ärgern, welchen Strapazen man sich da eigentlich aussetzt (um sich dann später unglaublich darüber zu freuen), gehört für mich genauso dazu, wie die Selbstreflexion und die Erkenntnis über die Form der Herausforderung, die man sucht.

Meine erste Transalp im Jahr 2016 war damals die für mich größte sportliche Herausforderung und ich bereue keineswegs diese Tour gefahren zu sein. Ganz im Gegenteil. Mittlerweile plane und fahre ich Touren, dessen Fokus auf der Abfahrt liegt. Der Weg nach oben ist ein notwendiges Übel, einen Trail aber zu Gunsten einer Straßenabfahrt zu ignorieren geht gar nicht; dann könnte ich auch Rennrad oder ein Hardtail fahren. Insofern ist diese Tour zum Anfang vielleicht ganz gut, um sich mit dem Setting auseinanderzusetzen und um zu gucken, was man selber möchte.

Was hat mich auf dieser Tour bewegt?

Die Eindrücke, Erfahrungen, Herausforderungen und Entbehrungen, die mit so einer Tour einhergehen haben mich überwältigt und mir ein unglaubliches Gefühl der Freiheit und Ausgeglichenheit verliehen, von dem ich noch lange zehren kann. Damit habe ich vor der Tour nicht gerechnet – und vielleicht war es auch gut, mit geringen Erwartungen oder wenigstens unvoreingenommen an die Sache heranzugehen.

In der Konsequenz überrascht es mich nicht, dass diese Tour meine sportliche Orientierung maßgeblich verändert hat. Vor dieser Tour lag mein Fokus auf Kraftsport, Ausdauersport war für mich lediglich eine Ergänzung. Mittlerweile konzentriere ich mich voll auf Ausdauersport und ergänze mein Training um Kraftsport an den Stellen, an denen es für das Biken wichtig ist. Dabei geht es mir aber nicht darum höher, schneller und weiter zu kommen, sondern einfach nur fit für die nächste Tour zu sein – und das am Besten ohne Schmerzen am Hintern.

Neben der Erkenntnis, zu was der eigene Körper in der Lage ist, habe ich für mich auf dieser Tour gelernt, konsequenter zu sein und mehr Vertrauen in den Lauf der Dinge zu haben.

Die eigentlichen Highlights der Tour waren nicht der fahrtechnische Anspruch, sondern vielmehr die das Drumherum. Die Erkenntnisse und Lehren, die Höhen und Tiefen und dann diese Atemberaubende Landschaft. All das ist eine unglaublich wertvolle Erfahrung für mich.

Ich bin froh, dieses Format ausprobiert zu haben und danke Simon dafür, mein Begleiter auf dieser (für mich ersten, für ihn bereits zweiten) Tour gewesen zu sein. Ich hätte mir keinen besseren Buddy vorstellen können.

An- und Abreise

Die Anreise erfolgte ganz einfach mit dem Auto. In Garmisch gibt es viele öffentliche Parkplätze, die zum Teil kostenpflichtig sind. 

Zurück vom Gardasee haben wir uns shutteln lassen. Es gibt zahlreiche Anbieter, die sich aber nur wenig voneinander unterscheiden. Einige bieten ihren Service als eine Art Linienservice an, der dann z.B. innerhalb der Saison jeden Samstag fährt. Andere bieten Kontingente an und fahren nur, wenn eine bestimmte Anzahl an Plätzen gebucht ist. Wieder andere fahren nur auf Anfrage. Letztlich gibt es auch noch Unterschiede im Preis, die aber nur marginal sind – mittlerweile (Stand Februar 2020) liegen die Preise (pro Person) zwischen 50 und 70 Euro.

Wer die Anreise anders plant und z.B. ausschließlich mit den öffentlich Verkehrsmitteln reisen möchte, kann mit dem Zug bis nach Garmisch fahren und sich zum Teil auch bis nach München wieder hochshutteln lassen. Eine Rückreise mit der Bahn vom Gardsee kam für uns nicht in Frage. Die Verbindungen mit den öffentlichen Verkehsmitteln von Riva/Torbole zurück nach Bayern sind eher bescheiden und langwierig und da wir noch Wein aus dem Trentino im Gepäck hatten, kamen komplizierte Selbstversuche zum Ende des Trips für uns nicht mehr in Frage. 

Planung & Vorbereitung

Das war meine erste und Simon´s zweite Transalp. Insofern waren wir nicht eingeschränkt, was die Auswahl der Route anging. Ich konnte nur nicht einschätzen, wie sehr mich so eine Tour fordern wird und ich hatte, denke ich, ein gesundes Maß an Respekt vor der Tour. Aus diesem Grund entschieden wir uns, eine eher kürzere (aber nicht zu kurze) Tour in Angriff zu nehmen. Bei der Route selber hat keiner von uns irgendwelche Vorlieben gehabt. Einig waren wir uns lediglich darüber, dass der Trailanteil bei der Abfahrt möglichst hoch und der Gardasee unser Ziel sein soll.

 

Soweit so gut. Leider ist das Internet voll von Touren, über deren Qualität man allerdings oft nicht viel erfährt oder man findet sehr gut klingende Touren, findet aber keine GPX-Daten dazu. Auf unserer Liste stand schon früh die 6-Tages-Transalp von Andreas Albrecht und die ist es nun letztendlich auch geworden. Gegen ein faires Entgelt haben wir uns am Abend vor der Tour die GPX-Daten gekauft und auf mein GPS gespielt. 

Unterkünfte

Die Unterkünfte haben wir bereits im Voraus reserviert. In den meisten Fällen wäre es auch kein Problem gewesen, die Unterkünfte kurzfristig zu buchen – es waren noch überall Betten bzw. Zimmer frei. Gerade bei Hütten wie der La Baita im Val di Rezzalo ist es empfehlenswert zu reservieren oder wenigstens vorher anzurufen und nicht auf Verdacht hinzufahren. Ist kein Bett frei, sind die Alternativen nicht gerade um die Ecke.

Bei den Hotels haben wir in erster Linie an der Verfügbarkeit und in zweiter Linie am Preis orientiert. Bei letzterem haben wir uns ein Limit von 100 €/Zimmer (inkl. Frühstück) gesetzt und konnten das auch meist halten bzw. unterbieten. Bei Kost und Logis in der Schweiz muss tendenziell man mit höheren Ausgaben rechnen als in Deutschland, Österreich und Italien. Sicher, es ginge auch günstiger und (ohne es genau zu wissen) wäre Camping auch möglich gewesen. Angesichts der Tatsache, dass es meine erste Transalp war und wir uns nicht mit Camping-Equipment herumschlagen wollten, haben wir auf diese Erfahrung dieses Mal verzichtet.

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